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St. Annen-Straße 11 - Martha Hotzner

Im Altersheim der Jüdischen Gemeinde in der St. Annen-Straße 11 lebte Martha Hotzner seit 1930.

Sie war am 2. Mai 1885 in Lübeck geboren als Kind von Jacob Leweck Hotzner und Johanna Hotzner, geborene Frankenthal (Jahrgang 1854), meist Hannchen genannt.  Aus der ersten Ehe des Vaters mit Fanny, geborene Kirschbaum, gab es den älteren Bruder Samuel, später kam noch der jüngere Bruder Hermann hinzu.

Die Familie wohnte in der Fleischhauerstraße 15, bis der Vater früh verstarb. Nun war Johanna Hotzner als Witwe im Lübecker Adressbuch verzeichnet, ab 1910 in der Engelgrube 56 und ab 1913 im Nachbarhaus Nummer 54. In diesem Jahr wurde ihrem Antrag stattgegeben, die ursprüngliche Schreibweise des Familiennamens Hoczner in Hotzner zu verändern, also dem Deutschen anzupassen.

Die ledige Tochter Martha hatte nach Beendigung des Schulbesuchs als "Stütze", also Haushaltshilfe gearbeitet, in Travemünde, Altona und Bremen, doch ab 1910 lebte sie mit ihrer Mutter zusammen.

Im Oktober 1930 zogen die beiden Frauen in das Altersheim der Jüdischen Gemeinde in der St. Annenstraße 11, und hier blieb Martha Hotzner auch nach dem Tod der Mutter am 12. April 1939.

Noch wenige Monate zuvor hatten Johanna und Martha Hotzner ihren Vornamen den verordneten Vornamen Sara hinzufügen müssen. Eine handgeschriebene Karte enthält ihre Erklärung.

Erklärung von Martha Hotzner zur Annahme des Zwangsnamen Sara Archiv der Hansestadt Lübeck, Polizeiverwaltung 124
Erklärung von Martha Hotzner zur Annahme des Zwangsnamen Sara Archiv der Hansestadt Lübeck, Polizeiverwaltung 124
Erklärung von Johanna Hotzner zur Annahme des Zwangsnamen Sara Archiv der Hansestadt Lübeck, Polizeiverwaltung 124
Erklärung von Johanna Hotzner zur Annahme des Zwangsnamen Sara Archiv der Hansestadt Lübeck, Polizeiverwaltung 124
Änderung des Familiennamens, Archiv der Hansestadt Lübeck, Hauptamt 909
Änderung des Familiennamens, Archiv der Hansestadt Lübeck, Hauptamt 909

Auch die Anpassung des Familiennamens machten die Nationalsozialisten 1938 rückgängig. Aus einem diesbezüglichen Schreiben des Regierungspräsidenten in Schleswig vom 5.10.1939 geht hervor, dass Hermann Hotzner mit seiner Familie in die USA hatte auswandern können.

Martha Hotzner war 56 Jahre alt, als sie am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert wurde.

Es ist nicht bekannt, unter welchen Umständen sie ihr Leben verlor: Hatte sie Hunger und Kälte im Winter 1941/42 im Lager Jungfernhof überstanden?  Gehörte Martha Hotzner zu den vielen Menschen, die im Februar und März 1942 in den Bikerniekiwald transportiert und dort erschossen worden sind? Oder wurde sie bei diesen Selektionen als arbeitsfähig eingestuft und leistete Zwangsarbeit in einer der zahlreichen Kasernierungen im Gebiet um Riga? Starb sie im Ghetto von Riga? Im KZ Kaiserwald? Oder wurde sie noch vor der näher kommenden Roten Armee gen Western transportiert und wurde im KZ Stutthof ermordet?

Über das Schicksal ihres Bruders Samuel, der Lübeck verlassen hatte und in Freiburg im Breisgau lebte, ist nichts bekannt.

Verzeichnis der Quellen außerhalb der Standardfachliteratur:

  • Adressbücher und Melderegister der Hansestadt Lübeck
  • Archiv der Hansestadt Lübeck, Staatliche Polizeiverwaltung 109, 110, 124;
  • Liste des Ordnungsamtes von 1963 über den Verbleib jüdischer Menschen, Hauptamt 909
  • Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden, bearbeitet von Wolfgang Scheffler und Diana Schulle, München 2003
  • Datenpool JSHD der Forschungsstelle “Juden in Schleswig-Holstein” an der Universität Flensburg
  • Memorbuch zum Gedenken an die jüdischen, in der Schoa umgekommenen Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen, hrsg. v. Miriam Gillis-Carlebach, Hamburg 1996
  • Personenstandsregister der Jüdischen Gemeinde Lübeck und Moisling
  • Albrecht Schreiber, Zwischen Davidstern und Doppeladler, Illustrierte Chronik der Juden in Moisling und Lübeck, Lübeck 1992
  • Yad Vashem, The Central Database of Shoah Victims’ Names

Heidemarie Kugler-Weiemann, 2010