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Mengstraße 52 - Familie Mecklenburg

In der Mengstraße 52 wohnte viele Jahre bis zum Oktober 1938 die Familie Mecklenburg.

Das Familienunternehmen, die Papierwarengroßhandlung H. Mecklenburg & Co., hatte in der Mengstraße 52 seinen Sitz.

 

Der Papiergroßhändler Hermann Mecklenburg in seinem Privatkontor, Lübeck o.J., Foto von Trude Stern, geborene Mecklenburg / veröffentlicht in Gerhard Paul / Bettina Goldberg: Matrosenanzug - Davidstern, Bilder jüdischen Lebens aus der Provinz, Neumünster 2002, S. 95
Der Papiergroßhändler Hermann Mecklenburg in seinem Privatkontor, Lübeck o.J., Foto von Trude Stern, geborene Mecklenburg / veröffentlicht in Gerhard Paul / Bettina Goldberg: Matrosenanzug - Davidstern, Bilder jüdischen Lebens aus der Provinz, Neumünster 2002, S. 95

Hermann Mecklenburg war verheiratet mit Marjane Mecklenburg, geb. Adler. Das Ehepaar hatte eine Tochter Gertrud und die fünf Söhne Julius, Willi, Moritz, Friedrich und Heinrich Herbert. Heinrich Herbert Mecklenburg wurde am 29.8.1886 in Lübeck geboren. Wie seine vier Brüder auch war er freiwilliger Soldat im 1. Weltkrieg.

Fotofächer 1914/1915 Die fünf Brüder Mecklenburg als freiwillige Kriegsteilnehmer im 1. Weltkrieg: (von links) Julius, Willi, Moritz, Herbert und Friedrich.
Fotofächer 1914/1915 Die fünf Brüder Mecklenburg als freiwillige Kriegsteilnehmer im 1. Weltkrieg: (von links) Julius, Willi, Moritz, Herbert und Friedrich.

Friedrich Mecklenburg war in Mannheim tätig, Moritz in Chemnitz, die drei anderen Brüder im Familienunternehmen in Lübeck.

Im November 1931 besuchte Marjane Mecklenburg, inzwischen Witwe, eine öffentliche Versammlung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge e.V., auf der Dr. Helmuth Johnsen, Hauptpastor am Dom, äußerte:

"Das deutsche Volk wird sich gegen undeutschen Geist, gegen Verjudung Deutschlands zu wehren wissen."

Die Mutter der fünf freiwilligen Soldaten war darüber so empört, dass sie trotz einer Entschuldigung des Pastors noch am Versammlungsabend den Rechtsanwalt Jacobsohn einschaltete, der als Vorsitzender des Lübecker Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten (Jüdischer Frontbund) eine Beschwerde formulierte, die im März 1932 in der Sitzung des Lübecker evangelisch-lutherischen Landeskirchenrates zwar behandelt wurde, aber wegen der erfolgten Entschuldigung als erledigt betrachtet wurde, was den Rechtsanwalt zu neuerlicher Beschwerde veranlasste.

Heinrich Herbert Mecklenburg war verheiratet mit Therese Mecklenburg, Thea genannt. Sie wurde am 31.5.1893 geboren und stammte ebenfalls aus einer alteingesessenen Lübecker Familie, der Familie Falck. Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Hanna wurde am 30.7.1922 in Lübeck geboren, Hermann Marcus am 20.7.1927.

Ein Foto zeigt die Familienrunde am 80. Geburtstag von Margarethe Babette Falck, der Mutter von Therese Mecklenburg, der 1935 im Haus Mengstraße 52 gefeiert wurde.

80. Geburtstag von Margarethe Babette Falck in der Mengstraße 52, Foto von Peter Mansbacher / veröffentlicht von Albrecht Schreiber: Zwischen Davidstern und Doppeladler, Illustrierte Chronik der Juden in Moisling und Lübeck, Lübeck 1992, S. 98
80. Geburtstag von Margarethe Babette Falck in der Mengstraße 52, Foto von Peter Mansbacher / veröffentlicht von Albrecht Schreiber: Zwischen Davidstern und Doppeladler, Illustrierte Chronik der Juden in Moisling und Lübeck, Lübeck 1992, S. 98

Am Tisch sitzen vier ihrer Töchter: Alice Wrescher, geborene Falck (zweite von links), sie starb in Riga. Emmy Ettlinger, geb. Falck (dritte von links) konnte nach Palästina auswandern. Gertrud Fürst, geb. Falck (dritte von rechts), überlebte Auschwitz und starb 1948 in Hamburg. Ihr Mann Henry (hinter ihr stehend) blieb in Auschwitz. Juliane Mansbacher, geb. Falck ( zweite von rechts), wurde in Auschwitz ermordet. Ihr Mann Martin Mansbacher (ganz links)starb 1940 nach schwerer Krankheit in Lübeck. Ihr Sohn Peter (ganz rechts im Bild) konnte mit einem Kindertransport nach England gebracht werden. Eine seiner Cousinen (stehend links) konnte nach Argentinien auswandern. Bei dem rechts stehenden Herrn soll es sich um einen Paul Jaffa© handeln, über den nichts weiter bekannt ist.

Am Kopf der Tafel sitzt Margarethe Falck. Sie starb in Theresienstadt.

Hinter ihr steht ihre Tochter Therese mit ihren Kindern Hanna und Hermann Marcus und ihrem Mann Herbert Mecklenburg. Hanna ist zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt, der Bruder 8 Jahre.

Beide sind auch auf dem Foto der Jüdischen Religionsschule aus dem Jahre 1935 zu finden.

Foto Jüdische Religionsschule
Foto Jüdische Religionsschule

Von Hanna gibt es ein weiteres Foto, das sie in einer Gruppe des Zionistischen Jugendbundes zeigt.

Die zionistische Jugendgruppe "Brith Hanoar" Lübeck 1935 auf Fahrt, vermutlich in den Segeberger Kreidefelsen; Foto von Lilly Oppenheimer, Israel, veröffentlicht von Gerhard Paul / Bettina Goldberg: Matrosenanzug - Davidstern, Bilder jüdischen Lebens aus der Provinz, Neumünster 2002, S. 199
Die zionistische Jugendgruppe "Brith Hanoar" Lübeck 1935 auf Fahrt, vermutlich in den Segeberger Kreidefelsen; Foto von Lilly Oppenheimer, Israel, veröffentlicht von Gerhard Paul / Bettina Goldberg: Matrosenanzug - Davidstern, Bilder jüdischen Lebens aus der Provinz, Neumünster 2002, S. 199

Von links: Esther Carlebach (Jahrgang 1922, Tochter von Simson Carlebach, 1939 Palästina), Josef Winter (Jahrgang 1923, Sohn des Rabbiners Winter, 1938 England, später Palästina), Hella Jacoby (Jahrgang 1921, 1939 Palästina), Hanna Mecklenburg, Rachel Winter (Jahrgang 1922, Tochter des Rabbiners Winter, 1938 England, nach 1945 Palästina), Adolf Frohmann (Jahrgang 1912, 1942 im KZ Mauthausen ermordet), Hans Hermann Meyer (Jahrgang 1921, 1937 Palästina, nach 1945 Amsterdam)

Im September 1938 emigrierte Herbert Mecklenburg nach Belgien. Seine Familie folgte ihm im Dezember 1938 nach Wesembeek bei Brüssel. Doch der Fluchtort bot nur vorübergehend Sicherheit bis zur Besetzung durch die Deutschen. Auch eine katholische Taufe verhinderte nicht die Registrierung im Judenregister und schließlich die Deportation.

Karteikarte für Hermann Marcus Mecklenburg im belgischen Judenregister
Karteikarte für Hermann Marcus Mecklenburg im belgischen Judenregister

Heinrich Herbert Mecklenburg wurde in das südfranzösische Internierungslager Gurs gebracht und kam dort ums Leben. Therese Mecklenburg und ihre beiden Kinder wurden nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht. Auf der Transportliste vom 11. August 1942 von Mechelen für den zweiten Zug findet sich unter der  Nr. 303: Hermann Marcus Mecklenburg, Elektrotechniker, staatenlos, und unter Nr. 304: Hanna Mecklenburg, Haushälterin, staatenlos.

Liste des Transports nach Auschwitz vom 11. August 1942 mit den Namen von Hanna und Hermann Marcus Mecklenburg
Liste des Transports nach Auschwitz vom 11. August 1942 mit den Namen von Hanna und Hermann Marcus Mecklenburg

Hanna war 20 Jahre, Hermann Marcus 15 Jahre alt.

Verzeichnis der Quellen außerhalb der Standardfachliteratur:

  • Adressbücher und Meldekartei der Hansestadt
  • LübeckArchiv der Hansestadt Lübeck, Staatliche Polizeiverwaltung 109, 110
  • Schul- und Kultusverwaltung 375
  • Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden, bearbeitet von Wolfgang Scheffler und Diana Schulle, München 2003
  • Datenpool JSHD der Forschungsstelle "Juden in Schleswig-Holstein" an der Universität Flensburg
  • Goldberg, Bettina/ Paul, Gerhard: Matrosenanzug - Davidstern. Bilder jüdischen Lebens aus der Provinz, Neumünster 2002
  • Guttkuhn, Peter: Kleine deutsch-jüdische Geschichte in Lübeck, Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Lübeck 2004, S.50
  • Joods Museum van Deportatie en Verzet, Mechelen: Transportlisten
  • Klatt, Ingaburgh: "...dahin wie ein Schatten", Aspekte jüdischen Lebens in Lübeck, Lübeck 1993
  • Mansbacher, Peter: Epilogue. Das Leben eines Flüchtlings, in: Zwischen Gestern und Heute, Erinnerungen jüdischen Lebens ehemaliger Schleswig-Holsteiner, Zusammengestellt von Gerd Stolz, Heide 1991, S.97ff
  • Memorbuch zum Gedenken an die jüdischen, in der Schoa umgekommenen Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen, hrsg. V. Miriam Gillis-Carlebach, Hamburg 1996
  • Albrecht Schreiber, Zwischen Davidstern und Doppeladler, Illustrierte Chronik der Juden in Moisling und Lübeck, Lübeck 1992
  • Yad Vashem, The Central Database of Shoah Victims Names
  • Zeitzeugengespräche

Heidemarie Kugler-Weiemann, 2008