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Hüxstraße 64 - Familie Sussmann

In der Hüxstraße 64 wohnte seit 1905 die Familie des Schlachtermeisters Bernhard Sussmann.

Im Erdgeschoss befand sich das Geschäft, wo koschere Waren angeboten wurden.

Tür des ehemaligen Hauses Hüxstraße 64, an beiden Seiten mit dem Schriftzug "Bernhard Sussmann" (Fotoarchiv, Museen der Hansestadt Lübeck)
Tür des ehemaligen Hauses Hüxstraße 64, an beiden Seiten mit dem Schriftzug "Bernhard Sussmann" (Fotoarchiv, Museen der Hansestadt Lübeck)

Bernhard (Baruch) Sussmann gehörte zu einer lange schon in Moisling ansässigen Familie. Er selbst wurde am 18. November 1852 in Moisling geboren, ab 1878 findet sich sein Name im Lübecker Adressbuch, zunächst in der Fischergrube, dann lange Jahre in der Schmiedestraße 12 und schließlich hier in diesem Haus, das auch sein Eigentum war.

Ausschnitt aus der Bekanntmachung von 1848, "die von den im Lübeckischen Staate ansässigen Israeliten angenommenen Familiennamen betreffend"
Ausschnitt aus der Bekanntmachung von 1848, "die von den im Lübeckischen Staate ansässigen Israeliten angenommenen Familiennamen betreffend"

Mit seiner Frau Frieda, geb. Blumenthal, die am 31.3.1856 in Travemünde geboren war, hatte Bernhard Sussmann sieben Kinder, zwei Söhne und fünf Töchter. Der älteste Sohn Ludwig Levi wurde am 26.8.1878 in Lübeck geboren; er verließ Lübeck im Jahre 1919 und ging nach Berlin. Seine Schwester Helene, am 8.11.1879 geboren, heiratete 1908 den Altonaer Kaufmann Salomon Finkels. Das dritte Kind wurde am 11.9.1881 geboren, die kleine Martha verstarb im Alter von vier Jahren am 22.12.1885. Hugo, am 28.Januar 1885 geboren, wurde Schlachter wie der Vater, auf seiner Meldekarte heißt es "Schlachter und Händler mit Vieh und Fellen ". Olga wurde am 22.1.1887 geboren, Mimi am 3.12.1888 und schließlich Margarethe Juliane am 28.1. 1893. Die beiden jüngsten Schwestern blieben unverheiratet in Lübeck bei der Familie wohnen.Olga Sussmann heiratete den aus Böhmen stammenden Ludwig Pick und lebte in Hamburg.

Die Mutter Frieda, in der Familie liebevoll Friedchen genannt, verstarb am 18.1.1914 mit knapp 58 Jahren und wurde auf dem Friedhof Moisling begraben.

Im Jahre 1926 konnte die Schlachterei Sussmann in der Hüxstraße ihr 50jähriges Bestehn feiern.

Lübecker Generalanzeiger vom 10.4.1926
Lübecker Generalanzeiger vom 10.4.1926
Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Moisling
Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Moisling

Das "weitere Gedeihen" der Firma, wie in der Anzeige zum Jubiläum gewünscht, durfte leider nur noch wenige Jahre währen, denn am 16.Februar 1931 starb Hugo Sussmann im Alter von nur 45 Jahren an einer Lungenentzündung im Allgemeinen Krankenhaus und am 7.November 1934 der Vater Bernhard im Alter von 82 Jahren.

Handschriftliche Erklärung von Margarethe Juliane und Mimi Sussmann vom 17.Januar 1939 an den Lübecker Polizeipräsidenten, mit der sie den zusätzlichen Zwangsvornamen "Sara" annehmen
Handschriftliche Erklärung von Margarethe Juliane und Mimi Sussmann vom 17.Januar 1939 an den Lübecker Polizeipräsidenten, mit der sie den zusätzlichen Zwangsvornamen "Sara" annehmen

Von nun an sind im Adressbuch die "Geschwister Sussmann" verzeichnet, selbst noch 1942, als Mimi und Margarethe Juliane bereits Lübeck hatten verlassen müssen und möglicherweise schon nicht mehr lebten.

Zum Zeitpunkt der Deportation nach Riga am 6. Dezember 1941 waren die Schwestern Margarethe Juliane und Mimi Sussmann 48 und 53 Jahre alt. Über die Umstände ihres Todes ist nichts bekannt; wir wissen nicht, ob sie bereits während der Wintermonate im Lager Jungfernhof umkamen, ob sie zu den vielen Opfern der beiden Erschießungen im Bikernieckiwald im Februar und März 1942 gehörten oder ob sie zu den als arbeitsfähig eingestuften Menschen gehörten, die noch bis 1944 Zwangsarbeit zu leisten hatten und im KZ Stutthof ihr Leben verloren.

Mimi und Margarethe Juliane wurden 1947 vom Amtgericht Lübeck für tot erklärt; als spätester Zeitpunkt des Todes wurde der 8. Mai 1945 angenommen.

An Mimi Sussmann erinnert ein Gedenkblatt in Yad Vashem, das ein Angehöriger aus der Familie ihrer Schwester Helene ausgefüllt hat.

Gedenkblatt für Mimi Sussmann in Yad Vashem, Israel, The Central Database of Shoah Victims Names
Gedenkblatt für Mimi Sussmann in Yad Vashem, Israel, The Central Database of Shoah Victims Names

Helene und Salomon Finkels wurden ebenso wie Olga und Ludwig Pick am 8. November 1941 von Hamburg aus nach Minsk deportiert und wurden dort Opfer der Shoa, ebenso wie eine Cousine der Schwestern, Franziska Sussmann. Nach dem Tod ihrer Mutter wurde sie 1936 aus ihrer Wohnung St.-Annen-Str. 7 in die Heilanstalt Strecksitz eingeliefert, kam im April 1940 nach Hamburg-Langenhorn und am 16.9.1940 in die Tötungsanstalt Brandenburg, wo im Jahre 1940 an die 9.000 Menschen in einer Gaskammer ermordet worden sind.

Über das Schicksal von Ludwig Levi Sussmann sowie anderer Angehöriger der Familie Sussmann ist bisher nichts bekannt.

Verzeichnis der Quellen außerhalb der Standardfachliteratur:

  • Adressbücher und Meldekartei der Hansestadt Lübeck
  • Archiv der Hansestadt Lübeck, Staatliche Polizeiverwaltung 109, 110, 124
  • Schul- und Kultusverwaltung 375, Personenstandsbücher Israelitische Gemeinde Lübeck, Bd. 4 Familienverzeichnis
  • Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden, bearbeitet von Wolfgang Scheffler und Diana Schulle, München 2003
  • Bundesarchiv: Gedenkbuch, Opfer der verfolgten Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
  • Datenpool JSHD der Forschungsstelle "Juden in Schleswig-Holstein" an der Universität Flensburg
  • Ingaburgh Klatt, "...dahin wie ein Schatten", Aspekte jüdischen Lebens in Lübeck, Lübeck 1993
  • Lübecker Generalanzeiger 1926
  • Memorbuch zum Gedenken an die jüdischen, in der Schoa umgekommenen Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen, hrsg. v. Miriam Gillis-Carlebach, Hamburg 1996
  • Museen für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck, Fotoarchiv
  • Yad Vashem, The Central Database of Shoah Victims Names
  • Zeitzeugengespräche

Heidemarie Kugler-Weiemann, 2008, überarbeitet 2011