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Isidor Ljublinski und seine Familie lebten seit 1932 im Balauerfohr 9.

Im Jahre 1917 war er nach Lübeck gekommen, und zwar aus Lubraniec/Lubranitz in Polen, etwa 50 km südlich von Toru ´n/Thorn, zusammen mit seiner Frau Tauba, geb. Kirschbaum, und den beiden Söhnen Max Hermann (Jahrgang 1912) und Harald (Jahrgang 1914).

Isidor Ljublinski war Schneider von Beruf; er galt als staatenlos. Mit seinem Namen und dem Geburtsdatum ist einiges unklar: Isidor, genannt Isser, manchmal Isaac; Ljublinski (so der Familienname laut Melderegister) wurde zu Lublinski, Lubianski, schließlich zu Lubinski vereinfacht. Oft ist statt des Geburtsdatums 23.12.1883 das jeweilige Alter angegeben; selbst in der Meldekarte. Vermutlich fehlten amtliche Dokumente zur Vorlage.

Die Familie zog in den ersten Lübecker Jahren mehrfach um, wohnte dann von 1924 bis 1932 in der Marlesgrube 50, dem Haus der Familie Lexandrowitz, und ab 1932 dann am Balauerfohr 9.

Mit diesen Erklärungen nahmen Isidor und Tauba Lubinski die verordneten zusätzlichen Zwangsvornamen Israel und Sara an
Mit diesen Erklärungen nahmen Isidor und Tauba Lubinski die verordneten zusätzlichen Zwangsvornamen Israel und Sara an

Max Hermann Lubinski hatte nach dem Besuch der St. Lorenz Knaben-Mittelschule eine Lehre als Elektrofeinmechaniker absolviert und wanderte 1934 nach Palästina aus, sein Bruder Harald folgte 1936. Tauba Lubinski gelang noch im März 1939 die Flucht nach England.

In ihren Briefen  nach Shanghai und Palästina erwähnen Bertha und Dora Lexandrowitz die Lubinskis des öfteren: Sie erkundigen sich nach den "beiden Lubinskis" in Palästina (S. 50), berichten über Frau Lublinskis Auswanderung (S. 53), richten Grüße von Herrn L. aus (S. 59), erwähnen, dass "Max Lubinskis Schwiegereltern" an Herrn L. geschrieben haben (S. 71) und erzählen, dass sie eine Karte von Max Lub. erhalten haben (S.84).  Im Brief vom  15.02.1940 nach Schanghai heißt es dann:

"Herr Lubinski zieht jetzt ins Asyl, ein Zimmer von Buschner, mit dem alten Lambertz zusammen. Zuletzt hat er mit ihm bei Frau Taschi gewohnt." (S.76)

Im Februar 1939 mussten Herr und Frau Lubinski aus ihrer Wohnung im Balauerfohr ausziehen und kamen zuerst in der Sophienstraße 10 im Haus von Simson Carlebach unter. Von Oktober 1939 bis Februar 1940 war Isidor Lubinski. in der Königstraße 116 bei Rosa Taschimowitz (Taschi) gemeldet, dann in der St.-Annen-Straße 11. Das Gebäude neben der Synagoge in der St.-Annen-Str. 11 diente als Altersheim und Asylunterkunft. Der erwähnte Heinrich Buschner war der (nichtjüdische) Kastellan der jüdischen Gemeinde Lübeck. Er bekam beim Säubern der Umgebung der zerstörten Synagoge nach dem 9. November einen Nervenzusammenbruch und hielt eine Rede gegen die Gestapo. Einem Pastor der benachbarten Aegidienkirche gelang es, ihn aus den Händen der Gestapo zu befreien und seine Einweisung in die Heilanstalt Strecknitz zu erwirken. Der genannte Nathan Lambertz, geb, 1857, war Viehhändler in Lübeck. Er wurde im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er ums Leben kam.

Im Oktober 1941 beantragte Isser Lubinski eine Fahrt nach Hamburg, um dort als Trauzeuge an der Hochzeit von Esther Daicz mit Rudolf Bär teilzunehmen; übernachten wollte er bei der ebenfalls aus Lübeck stammenden Familie Mularski. Doch seine Erlaubnis hat er nicht abgeholt. (Archiv der Hansestadt Lübeck, Staatliche Polizeiverwaltung 121)

Löschung jüdischer Handwerksbetriebe aus der Handwerksrolle im Dezember 1938; Archiv der Hansestadt Lübeck, Staatliche Polizeiverwaltung 126
Löschung jüdischer Handwerksbetriebe aus der Handwerksrolle im Dezember 1938; Archiv der Hansestadt Lübeck, Staatliche Polizeiverwaltung 126

Seine Existenzgrundlage las Schneider hatte Isidor Ljublinski zu diesem Zeitpunkt schon drei Jahre lang verloren. Nach dem Novemberprogrom 1938 löschte die Lübecker Handwerkskammer seinen Namen aus der Handwerksrolle und forderte die Rückgabe der Handwerkskarte.

Isidor Ljublinski wurde am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Die Umstände seines Todes dort sind nicht bekannt. Wenn nicht schon die mörderischen Bedingungen im Lager Jungfernhof sein Leben beendet haben, so wird er zu jenen Menschen gehört haben, die im Februar oder März 1942 bei den Erschießungen im Bikerniekiwald ermordet worden sind.

Verzeichnis der Quellen außerhalb der Standardfachliteratur:

  • Adressbücher und Meldekartei der Hansestadt Lübeck
  • Archiv der Hansestadt Lübeck, Staatliche Polizeiverwaltung 109, 110, 121, 124, 126
  • Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden, bearbeitet von Wolfgang Scheffler und Diana Schulle, München 2003
  • Datenpool JSHD der Forschungsstelle "Juden in Schleswig-Holstein" an der Universität Flensburg
  • Kugler-Weiemann, Heidemarie / Peperkorn, Hella (Hrsg.): "Hoffentlich klappt alles zum Guten ", Die Briefe der jüdischen Schwestern Bertha und Dora Lexandrowitz (1939 - 1941 ), Neumünster 2000
  • Lübecker Nachrichten vom 14.6.1990, Eine Reise in die Vergangenheit
  • Memorbuch zum Gedenken an die jüdischen, in der Schoa umgekommenen Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen, hrsg. V. Miriam Gillis-Carlebach, Hamburg 1996
  • Albrecht Schreiber, Zwischen Davidstern und Doppeladler, Illustrierte Chronik der Juden in Moisling und Lübeck, Lübeck 1992
  • Yad Vashem, The Central Database of Shoah Victims Names
  • Zeitzeugengespräche

Heidemarie Kugler-Weiemann, 2008