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In dem Häuschen Adlerstraße 7 wohnte etwa zwanzig Jahre lang die Familie Prenski.

 

In einem dieser kleinen Häuser lebte die Familie Prenski, Foto ohne Jahr, Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck
In einem dieser kleinen Häuser lebte die Familie Prenski, Foto ohne Jahr, Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck

Nach dem 1. Weltkrieg kamen Elias Prenski und seine Frau Sonja, geborene Lawenda mit ihrer kleinen Tochter Sophie aus dem polnischen Grajewo nach Deutschland, wo sie sich eine bessere Zukunft frei von Antisemitismus und Progromen erhofften. Elias Prenski war am 18.4.1892 geboren, Sonja Lawenda am 20.5.1894, beide in Grajewo, wo sie heirateten und Sophie am 28. Januar 1918 zur Welt kam. In Lübeck lebten bereits zwei Geschwister von Frau Prenski. Das Häuschen Adlerstraße 7 gehörte zum Anwesen ihres Bruders Eli Lawenda, der sich in der Fackenburger Allee mit einem Pferdehandel und einem Restaurant eine Existenz aufgebaut hatte. Hier fanden die Prenskis ihr Zuhause.

Am 23. Juni 1924 wurde der Sohn Max geboren, am 24. Februar 1930 Martin und schließlich am 22. März 1931 Margot.

Um den Lebensunterhalt der Familie zu verdienen, fuhr Elias Prenski mit Pferd und Wagen über Land und verkaufte Schmieröle und Fette an die Landwirte.

Die älteren Kinder gingen mit den Kindern aus der Nachbarschaft zur Schule, Sophie am Marquardplatz, Max im Steinrader Weg beim Bahnhof.

Jüdische Religionsschule 1938
Jüdische Religionsschule 1938

Über das Leben der Familie haben etliche Menschen berichtet, die in der Nachbarschaft lebten und mit den Kindern befreundet waren. Einige von ihnen versuchten auch während der Nazizeit Kontakt zu halten und die Familie zu unterstützen. Zum Beispiel die Familie Wischwill, die regelmäßig auf dem Rückweg vom Kleingarten eine Tüte mit Gemüse und Obst im Vorbeigehen einfach über den Zaun hängte.

Zweimal wurde die Tochter Uschi von ihrem Vater mit einer Geldsumme hergeschickt, die er mit anderen Sozialdemokraten für die Prenskis gesammelt hatte. Auch in der Reinigung gegenüber an der Ecke bekamen die Prenskis Hilfe. Im Schutz der Dunkelheit konnte Frau Prenski gebrauchtes Spielzeug für Margot und Martin von Frau von Rimscha abholen.

 

Als polnische Staatsangehörige sollte die Familie im Oktober 1938 aus Deutschland ausgewiesen und im Zuge der sog. Polenaktion über die polnische Grenze abgeschoben werden. Zusammen mit anderen Lübecker Familien saßen sie im Zug, der dann aber in Berlin gestoppt und nach Lübeck zurückgeschickt wurde. Während der kommenden Monate waren sie im Visier der Gestapo, wurden mehrfach vorgeladen und zum Verschwinden gedrängt. Sophie ging von zu Hause fort, in Hachschara-Einrichtungen bereitete sie sich auf eine mögliche Auswanderung nach Palästina vor. Max begann eine Schlosserausbildung in Hamburg.

Am 25. Juli 1939 starb Elias Prenski an einer Blutvergiftung und wurde auf dem Friedhof in Moisling begraben. Frau Prenskis Geschwister mit ihren Familien waren zu diesem Zeitpunkt schon nach Schweden bzw. Shanghai emigriert.

1940 wurde die Jüdische Volksschule in der St. Annen-Straße geschlossen, die Martin und Margot seit ihrer Einschulung besuchten. Nun mussten sie zur jüdischen Volksschule Schule in Hamburg in der Karolinenstraße gehen und wurden in den jüdischen Waisenhäusern untergebracht, da die tägliche Zugfahrt zu teuer gewesen wäre. Im Poesiealbum einer einstigen Mitschülerin befindet sich eine Eintragung von Margot Prenski.

 

Eintrag von Margot Prenski vom 12. Juni 1941 in das POESIEALBUM von Marion Gumprecht, heute Portman. Marion Gumprechts Familie konnte noch im Sommer 1941 in die USA ausreisen.
Eintrag von Margot Prenski vom 12. Juni 1941 in das POESIEALBUM von Marion Gumprecht, heute Portman. Marion Gumprechts Familie konnte noch im Sommer 1941 in die USA ausreisen.

Frau Prenski musste die Adlerstraße verlassen und fand eine Unterkunft im "Asyl" der Jüdischen Gemeinde in der St.Annen-Straße. Dort war dann auch der Sammelpunkt für die "Evakuierung nach dem Osten" Anfang Dezember 1941. Margot, Martin und Max kamen nach Lübeck zurück und wurden gemeinsam mit ihrer Mutter und vielen anderen jüdischen Menschen aus Lübeck, aber auch Hamburg, Kiel und anderen Orten in Schleswig-Holstein nach Riga deportiert. Der sog. Hamburger Transport vom 6. Dezember 1941 wurde vom Bahnhof Skirotova bei Riga zu einem ehemaligen Gutshof, dem Jungfernhof gebracht. Kälte und Hunger führten in den Wintermonaten zum Tod vieler. Im Februar 1942 wurden etwa tausend Kinder, Frauen und Kranke mit Lastwagen in den Bikernieki-Wald transportiert und dort erschossen. Eine zweite solche Mordaktion fand am 26. März 1942 statt. Spätestens dann haben Margot, Martin und Max ihr Leben verloren.

Sonja Prenskis Name findet sich auf der Totenliste des Konzentrationslagers Stutthof vom Dezember 1944.

Ihrer ältesten Tochter Sophie gelang 1940 die Flucht aus Deutschland mit dem letzten illegalen Transport über die Donau und das Schwarze Meer zum Mittelmeer an die Küste Palästinas. Als Schiffbrüchige konnte sie nach einer Detonation an Bord im Pyjama an Land schwimmen und so ihr Leben retten.

 

Verzeichnis der Quellen außerhalb der Standardfachliteratur:

 

  • Adressbücher und Meldekartei der Hansestadt Lübeck
  • Archiv der Hansestadt Lübeck, Staatliche Polizeiverwaltung  25, 109, 110, 121,
  • Schul- und Kultusverwaltung 375,
  • Amt für Schulwesen 879
  • Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden, bearbeitet von Wolfgang Scheffler und Diana Schulle, München 2003
  • Datenpool JSHD der Forschungsstelle "Juden in Schleswig-Holstein" an der Universität Flensburg
  • Landesarchiv Schleswig, Abt. 352 Kiel, 8959, 8960 und Abt. 761, 16842, 16722
  • Landgericht Hamburg vom 29.12.1951, (50) 14/50. Lfd. Nr. 307: NS-Gewaltverbrechen in Lagern / Riga Lettland
  • Memorbuch zum Gedenken an die jüdischen, in der Schoa umgekommenen Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen, hrsg. V. Miriam Gillis-Carlebach, Hamburg 1996
  • Albrecht Schreiber, Zwischen Davidstern und Doppeladler, Illustrierte Chronik der Juden in Moisling und Lübeck, Lübeck 1992
  • Staatsarchiv Hamburg  362-6/10 Talmud Tora
  • Yad Vashem, The Central Database of Shoah Victims Names
  • Zeitzeugengespräche in Lübeck, Israel, England, USA und Briefwechsel seit 1993

Ausführliche Informationen über die Familie Prenski finden sich in einer Broschüre der Geschwister-Prenski-Schule, Integrierte Gesamtschule Lübeck, die seit 1994 mit ihrem Namen an Margot, Martin und Max Prenski erinnert:Heidemarie Kugler-Weiemann / Sabine Seidensticker / Brigitte Söllner-Krüger:Spuren der Geschwister Prenski, Eine Schule lebt mit ihrem Namen, Geschwister - Prenski-Schule, Integrierte Gesamtschule Lübeck,  Broschüre 2006, in der Schule erhältlich.

Heidemarie Kugler-Weiemann, 2008